- 1. Energiekrise als prioritäres Thema der VSMK setzen
Verbraucherschutz ist heute mehr denn je auch Klimaschutz. Verbraucher:innen sind mit hohen Energiekosten konfrontiert, die durch eine zu langsam fortschreitende Energiewende verursacht wurden. Für viele Haushalte bedeuten die gestiegenen Preise für Strom und Gas, dass auf andere Dinge verzichtet werden muss. Teilweise stehen Familien vor existenziellen Nöten.
Weil die Energiekrise die Verbraucher:innen unmittelbar und drastisch betrifft, muss das Thema bei der Verbraucherschutzministerkonferenz 2022 (VSMK) eine tragende Rolle spielen. Die zuständigen Minister der Bundesländer treffen sich vom 15. bis 17. Juni in Weimar. Den Vorsitz haben Heike Werner, Thüringer Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, sowie Dirk Adams, Thüringer Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz.
Wir fordern die Ministerin und den Minister auf, die Energiekrise als Krise für Verbraucher:innen mit einer großen Priorität auf die Agenda der VSMK zu heben.
- 2. Mehr Druck für die Energiewende in Thüringen
Angesichts steigender Energiepreise und der daraus resultierenden finanziellen Belastung der Verbraucher:innen fordern wir eine schnellere Unabhängigkeit vom Import fossiler Energieträger nach Thüringen.
Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern ist nicht nur Ursache für den enormen Preisanstieg, sondern auch für die drohenden globalen Gefahren des Klimawandels. Diese gilt es für Verbraucher:innen zu verhindern.
Wie die aktuelle dramatische Entwicklung in Osteuropa zeigt, sind erneuerbare Energien nicht nur der Schüssel für eine unabhängige Versorgungssicherheit von Energie, die gewährleistet werden muss. Ein Ausbau der erneuerbaren Energien mindert auch die wirtschaftliche und strategische Bedeutung von fossilen Brennstoffen. Wir fordern daher ein schnelle und konsequente Energiewende.
Thüringen hat sich mit dem 2018 beschlossenen Klimagesetz Ziele gesetzt: Der Freistaat Thüringen soll bis zum Jahr 2040 seinen Energiebedarf in der Gesamtbilanz durch einen Mix aus Erneuerbaren Energien vollständig decken können. Die grüne Energie soll dafür zum größten Teil in Thüringen gewonnen werden. Die Fachhochschule Nordhausen bestätigte kürzlich mit ihrem Energiewende-Rechner ZO.RRO, dass ein klimaneutrales Thüringen bis 2040 möglich ist – und uns jährlich im Wesentlichen nicht mehr kostet als die derzeitigen Versorgungswege.
Eine tragende Rolle spielt die Windenergie. Thüringen hat sich dazu bekannt, perspektivisch auf einem Prozent der Landesfläche Windenergie zu produzieren. Davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Das Ein-Prozent-Ziel ist aber zwingend nötig, um 2040 die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu erreichen. Hier muss die Umsetzung Fahrt aufnehmen, das Land muss Ergebnisse vorlegen!
Aktuell liegt laut Thüringer Umweltministerium der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch in Thüringen bei rund 25 Prozent (Stand November 2021). Will das Land seine Klima-Ziele erfüllen, muss ein hohes Tempo an den Tag gelegt werden. Wir begrüßen ausdrücklich Landesprogramme wie Solar-Invest und Klima-Invest.
- 3. Energiemarkt auf Bundesebene besser regulieren
Einzelne Strom- und Gasanbieter vergrößern Kundenstamm und Profit mit rechtlich unzulässigen Methoden. Andere Versorger haben offensichtlich auf ein kurzsichtiges Geschäftsmodell gesetzt und sind ihrer Verantwortung gegenüber ihren Kund:innen nicht gerecht geworden. Das ist auch möglich, weil die Transparenzpflichten und die Regulierung nicht ausreichend sind.
Die Verbraucher:innen dürfen nicht diejenigen sein, die unseriöse Geschäftsmodelle und schlechte Marktregulierung ausbaden müssen. Die Bundesnetzagentur und die Landesregulierungsbehörden müssen deshalb wirksamere Mittel werden, um Verbraucher vor der Zügellosigkeit der Akteure am Energiemarkt zu schützen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigte kürzlich rechtliche Änderungen an, mit welchen verhindert werden soll, dass Versorger auf Kosten der Verbraucher:innen den Markt verlassen – wie zuletzt bei zahlreichen Billiganbietern geschehen.
- 4. Kartellrecht in Thüringen konsequent durchsetzen
Ein Marktcheck der Verbraucherzentrale Thüringen im Februar 2022 zeigte große Preisunterschiede für Strom und Gas bei den Grundversorgern in Thüringen.
Bei 32 Grundversorgern wurden die Kosten in der Ersatz- und Grundversorgung betrachtet. Unter den Anbietern differenzierten 16 bei Strom und 15 bei Gas in Neu- und Bestandskunden. Neukund:innen zahlten bis zu 142 Prozent mehr für Strom und bis zu 157 Prozent mehr für Gas als die Bestandskundschaft.
Bei einem jährlichen Stromverbrauch von 3000 kWh entstehen in dieser Tarifstruktur bis zu 1392 Euro Mehrkosten im Jahr. Bei einem Gasverbrauch von 11.500 kWh beläuft sich die Höherbelastung der Neukunden auf bis zu 1520 Euro. Die hier angenommenen Energie-Verbräuche entsprechen denen eines durchschnittlichen Drei-Personen-Haushalts.
Ebenfalls auffällig war die generelle Preisgestaltung. Die Kosten für 3000 kWh Strom im Jahr betrugen je nach Grundversorger zwischen 1020 und 1920 Euro. 11.500 kWh Gas konnten bei einem Grundversorger für 885 Euro und bei einem anderen für 2580 Euro bezogen werden. Teilweise mangelte es an Transparenz bei der Kundeninformation.
Ein funktionierender Wettbewerb am Energiemarkt ist essentiell für Verbraucherschutz und Verbraucherrechte. Er stellt sicher, dass den Verbraucher:innen eine bestmögliche Auswahl an Gütern zu günstigen Preisen zur Verfügung steht. Hüterin des Wettbewerbs am Energiemarkt ist das Bundeskartellamt mit den Landeskartellämtern. Sie haben die Aufgabe den wettbewerbsrechtlichen Ordnungsrahmen zu gewährleisten. Hat ein Anbieter von Elektrizität oder leitungsgebundenem Gas eine marktbeherrschende Stellung, ist es ihm verboten diese Stellung missbräuchlich auszunutzen. Das Unternehmen darf zum Beispiel keine Preise verlangen, die die Kosten in unangemessener Weise übersteigen.
In Thüringen und bundesweit stellen sich Verbraucher:innen derzeit die Frage: Muss ich diese horrenden Energiepreise bezahlen? Um die Endverbraucher effektiv vor missbräuchlichem Verhalten von Energieversorgern zu schützen, ist eine schnellere und konsequentere Durchsetzung des Kartellrechts notwendig. Die Verbraucherzentrale Thüringen hat die Landeskartellbehörde Energie schriftlich aufgefordert, das Anbieterverhalten der Grundversorger in Thüringen zu überprüfen.
Weil Verbraucher:innen die Rechnung für die Energiekostenkrise bezahlen, sehen wir es auch als eine Aufgabe des Thüringer Ministeriums für Verbraucherschutz, sich für eine Klärung und die Durchsetzung des Kartellrechts stark zu machen.
- 5. Schnelle Entlastungen für Verbraucher:innen
In unseren Beratungen erfahren wir, dass schon jetzt bei vielen Verbraucher:innen die finanziellen Ressourcen erschöpft sind und sie mit Existenzängsten kämpfen.
Gefragt sind Maßnahmen, die die Geldbeutel der Menschen schnell entlasten. Die Ampelkoalition kündigt derzeit unterschiedliche Maßnahmen an, die Abhilfe schaffen sollen. Der Verbraucherzentrale Thüringen begrüßt diesen Schritt, die konkreten Maßnahmen greifen jedoch zu kurz.
So vermag der aktuell geplante einmalige Heizkostenzuschuss für Haushalte, die Wohngeld erhalten, die finanzielle und existenzielle Not nicht ausreichend zu entschärfen. Statt 135 Euro für Alleinlebende und 175 Euro für Zwei-Personen-Haushalte fordern wir mindestens 500 Euro pro Haushalt. Auch eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) unterstützt diesen Ansatz. Sie stellte einen durchschnittlich zu erwartenden Kostenanstieg von 500 Euro fest. Unterstützt werden müssen unserer Ansicht nach auch die Haushalte mit geringem Einkommen, die keine Transferleistungen erhalten. Hier fehlt es derzeit gänzlich an Instrumentarien, die finanziellen Engpässe aufzufangen.
Auch die entlastende Wirkung der geplanten Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli für Verbraucher:innen ist unsicher. Zum einen könnte die Entschlackung des Strompreises um 3,7 Cent pro kWh angesichts massiver Preissteigerungen verpuffen. Zum anderen stellt es die derzeitige Rechtslage dem Stromanbieter frei, ob er die Senkung an die Kunden durchreicht oder den Vorteil für sich behält. Hier ist eine bindende verbraucherfreundliche Regelung notwendig, die tatsächlich eine spürbare finanzielle Entlastung der Haushalte bewirkt.
Wir fordern außerdem eine Anhebung der Sätze der Transferleistungen, um die gestiegenen Energiepreise abzufangen. Auch die Reduzierung der Energiesteuer und der Mehrwertsteuer sowie die Rückzahlung der CO2-Abgaben an Verbraucher:innen sind geeignete Mittel zur Entlastung.
- 6. Der Energiearmut durch Thüringer Initiativen entgegenwirken
Die Stimmen, die vor einer steigenden Zahl von Betroffenen der Energiearmut warnen, werden immer lauter. Auch als Verbraucherzentrale Thüringen merken wir, dass immer mehr Menschen nicht wissen, wie sie ihre Energiekosten bezahlen sollen. Viele Ratsuchende sprechen davon, auf Wärme, neue Kleidung oder eher teure Lebensmittel verzichten zu müssen.
Unsere neu ins Leben gerufene telefonische Kurzberatung zu Strom und Gas wird stark genutzt und oftmals sind es weniger die Rechtsfragen, die im Fokus stehen, als vielmehr die finanziellen Nöte.
Vor diesem Hintergrund fordern wird eine Wiederbelebung des runden Tisches zur Bekämpfung von Energiearmut in Thüringen. Darüber hinaus muss die Energiearmutsberatung in Thüringen gestärkt werden.
Wir fordern das Initiieren von Unterstützungsangeboten zur Vermeidung von Energiearmut. Geeignet sind insbesondere folgende Maßnahmen: Austauschprogramme für alte energieineffiziente Geräte, ein Notfallfonds zur Verhinderung von Energiesperren und kostenlose Budget- und Rechtsberatung für Betroffene von Strom- und Gassperren.
- 6.1 Energiesperren aussetzen
Verbraucher:innen müssen seit Monaten deutlich höhere Abschläge für Energie zahlen. Diese Entwicklung birgt das Risiko vermehrter Strom- und Gassperren, da das Schuldenaufkommen von Tansfer-Leistungsempfängern und Haushalten mit geringem Einkommen steigt.
Die aktuellen gesetzlichen Regelungen ermöglichen es Energieversorgern, eine Stromsperre bzw. Gassperre zu erwirken, wenn der Kunde mit mindestens 100 Euro im Zahlungsverzug ist. Noch fehlt es an ausreichender finanzieller Unterstützung und Zuschussauszahlungen.
Haushalte, die schon jetzt ihre Energierechnung nicht zahlen können, müssen geschützt werden. Wir fordern eine Aussetzung der Strom- und Gassperren mindestens bis zur Auszahlung der Zuschüsse, damit die Betroffenen nicht in einer dunklen oder kalten Wohnung sitzen müssen.