Der pauschale Verweis auf eine Internetseite reicht nicht aus, um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu einem wirksamen Vertragsbestandteil zu machen. Mit diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 10. Juli 2025 die Rechtsauffassung der Verbraucherzentrale Thüringen bestätigt. Sie hatte gegen die 1N Telecom GmbH geklagt. Der Anbieter hatte Kund:innen, die einen Vertrag in Papierform geschlossen hatten, mit dem Hinweis abgespeist, man fände die AGB online unter 1n.de/agb.
Gestritten hatten sich Verbraucherzentrale und 1N Telecom zunächst vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, in der Stadt, in der der Anbieter seinen Firmensitz angibt. Die 1N Telecom ging in Revision. „Wir sind sehr froh, dass der BGH nun klargestellt hat: Dieses Verhalten ist zu unterlassen“, sagt Dirk Weinsheimer, Jurist bei der Verbraucherzentrale Thüringen. Die Entscheidung zugunsten von Transparenz und Kundenfreundlichkeit ist dabei auch für andere Anbieter wegweisend. „Wer als Kund:in einen Vertrag schließt, egal welcher Art, muss wissen, welche AGB gelten“, betont Dirk Weinsheimer.
Der BGH kritisierte, dass die 1N Telecom mit dem pauschalen Verweis auch alle Fassungen einschließe, die sie künftig unter der Adresse ins Internet stelle. „Das entspricht einem Freifahrtschein zum Ändern wesentlicher Konditionen“, erläutert Dirk Weinsheimer. Weiter argumentierte der BGH: Wenn mehrere Fassungen der AGB online stünden, könnten Kund:innen nicht zweifelsfrei erkennen, welche für sie gelten. Lösung: Es müsse eine eindeutige Verlinkung auf eine bestimmte Version erfolgen.
Die Thüringer Verbraucherschützer fordern noch einen Schritt mehr. „Wer einen Vertrag auf Papier schließt, sollte selbstverständlich auch die AGB in Papierform ausgehändigt bekommen“, sagt Jurist Weinsheimer.
Die Klage der Verbraucherzentrale gegen die 1N Telecom bedeutet nicht nur einen Erfolg für den Rechtsschutz made in Thüringen. Sie zeigt: Kollektiver Rechtsschutz wirkt und die Verbraucherzentralen können gemeinsam den Markt fairer für alle machen.
14.000 Beschwerden bundesweit
Denn: Von Januar 2023 bis März 2025 haben die Verbraucherzentralen bundesweit rund 14.000 Beschwerden über den Telekommunikationsanbieter 1N Telecom erhalten. In Thüringen halfen die Berater:innen rund 830 Verbraucher:innen in Sachen 1N Telecom. Mit verschiedenen Maschen drängte der Anbieter in den Markt. Er gewann neue Kund:innen, die annahmen, dass die Deutsche Telekom ihnen schreibe. Erst im Nachhinein wurde diesen – oft Senior:innen – bewusst, dass sie den Anbieter gewechselt hatten. 1N Telecom verschickte Briefe zu Verträgen, von denen die Verbraucher:innen nichts wussten und forderte Schadensersatz, wenn man sie „kündigte“. Wer nicht zahlte, erhielt Post von einem Inkasso-Unternehmen.
Die Verbraucherzentralen Thüringen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und der Bundesverband haben bislang 17 verschiedene Verfahren gegen die 1N Telecom eingeleitet. Auch andere davon waren bereits vor Gericht erfolgreich. Was sich im Jahr 2025 verändert hat? Einiges: Die Beschwerden von Verbraucher:innen sind massiv zurückgegangen. Seit März bewegen sich die monatlichen Anfragen im niedrigen einstelligen Bereich.